Prüft alles und behaltet das Gute
1.Thess 5,21 | Jahreslosung 2025
Gerne teilen wir unsere Welt eindeutig auf in schwarz oder weiß, gut oder böse. Natürlich wissen wir, dass das Leben nicht so ist. Es ist schillernd und voller Zwischentöne. Immer wieder sind wir gefordert, ganz genau hinzusehen. Vorurteile helfen uns selten. Aber dennoch: Wir kennen die Sehnsucht nach Sicherheit und einfachen Wahrheiten. Und wir hören die verlockenden Stimmen auf dem Markt politischer Angebote, die uns genau dies versprechen: Einfache Lösungen. Als Antwort auf die drängenden Fragen unserer Zeit bieten sie an, nationalen und separaten Interessen zu folgen. Gut und richtig sei, was uns zugutekommt. Fremdes stört und wird als Bedrohung erfahren. Wir und die anderen! Wie gesagt: Gerne teilen wir unsere Welt eindeutig auf …
Und die Bibel? Gibt sie uns darin nicht Recht? „Prüfet alles und behaltet das Gute.“ – lesen wir im Thessalonicherbrief, und: „Meidet das Böse in jeder Gestalt.“ Das Gute und das Böse! Da ist sie doch, die Zweiteilung der Welt!
Ja, da ist diese Zweiteilung. Denn in der Tat gibt es Gutes und Böses! Das ist gar nicht die Frage. Die Frage ist, woran unterscheiden sich beide. Was ist das Kriterium, an dem sich das Gute bemisst? Und hier ist die Bibel ganz klar: Das Gute ist, was der Liebe dient! Böse ist, was Neid und Hass befördert.
Dieses Kriterium ist herausfordernd für uns, denn es erlaubt uns nicht, eigene Interessen zum Maßstab unseres Denkens und Handelns zu machen. Liebe erfordert den Mut, tatsächlich jedes Mal neu und genau hinzusehen. Liebe erfordert Geduld und die Bereitschaft, wahrhaftig zu sein. Liebe lenkt den Blick von uns weg und lässt uns fragen, was wirklich heilig und schützenswert ist.
Prüft alles! Also prüfen wir auch uns selbst, ob wir dem Guten zugetan sind! Dazu ein uraltes Gleichnis des griechischen Universalgelehrten Aristoteles:
Einst kam ein Mann aufgeregt zu Sokrates: „Sokrates, ich muss dir etwas über deinen Freund erzählen, der…“ „Warte“, unterbrach ihn Sokrates. „Bevor du weitererzählst – hast du die Geschichte, die du mir erzählen möchtest, durch die drei Siebe gesiebt?“ „Die drei Siebe? Welche Siebe?“ fragte der Mann überrascht. „Lass es uns ausprobieren“, schlug Sokrates vor. „Das erste Sieb ist das Sieb der Wahrheit. Bist du dir sicher, dass das, was du mir erzählen möchtest, wahr ist?“ „Nein, ich habe gehört, wie es jemand erzählt hat.“ „Aha. Aber dann ist es doch sicher durch das zweite Sieb gegangen, das Sieb des Guten? Ist es etwas Gutes, was du mir über meinen Freund erzählen möchtest?“ „Nein“, antwortete der Mann, „das nicht. Eher im Gegenteil…“ „Dann“, sagte Sokrates, „bleibt uns nur noch das dritte Sieb. Ist es notwendig, dass du mir erzählst, was dich so erregt?“ „Nein, nicht wirklich notwendig,“ antwortete der Mann. „Nun“, sagte Sokrates lächelnd, „wenn die Geschichte über meinen Freund weder wahr ist noch gut, noch notwendig, so vergiss sie besser und belaste dich und mich nicht damit.“